DIW Berlin: Vermögensbildung in Deutschland: Immobilien Schwelle und Schlüssel zugleich : Editorial (2024)

Die Vermögen sind in Deutschland im internationalen Vergleich besonders ungleich verteilt – dies ist kein neues Phänomen, sondern seit Jahrzehnten zu beobachten. Ein Grund dafür ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine relativ geringe Wohneigentumsquote aufweist. Weniger als die Hälfte aller Haushalte lebt hierzulande in den eigenen vier Wänden. Europaweit weist nur die Schweiz eine geringere Eigentumsquote auf. Immobilien sind mit rund zwei Dritteln die wichtigste Vermögensposition der privaten Haushalte.

Die oberen zehn Prozent der Bevölkerung nennen rund 55 Prozent des gesamten Nettovermögens ihr Eigen. Die unteren 50 Prozent kommen lediglich auf knapp 1,5 Prozent. Noch stärker fällt die Konzentration der Immobilienvermögen ins Gewicht: Für die Top-Zehn-Prozent beläuft sich das durchschnittliche Immobilienvermögen auf mehr als 450 000 Euro pro Person, in der unteren Hälfte sind dies kaum 10 000 Euro. Die Immobilienmarkthausse der vergangenen Jahre hat diese Konzentration weiter ansteigen lassen. Gleichzeitig ist die Belastung vieler Haushalte durch Mietzahlungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen und vor allem der Wohnungsmarktzugang der untersten Einkommensschichten durch einen immer kleiner werdenden Sozialwohnungsbestand erschwert. Für diese Haushalte ist es doppelt schwer Ersparnisse, geschweige denn Immobilienvermögen, aufzubauen.

Im Bundestagswahlkampf wird diese Schieflage ein wichtiges Thema werden. Rufe nach einer Reaktivierung der Vermögensteuer sind bereits jetzt laut zu vernehmen. Auch Reformen der Besteuerung von Grund und Boden oder des Grunderwerbs werden seit Jahren debattiert. In der Diskussion um die Tilgung der Corona-Schulden haben entsprechende Vorstöße zusätzlichen Wind in die Segel bekommen. Zuletzt haben zumindest in Berlin auch Enteignungsinitiativen eine vernehmbare Unterstützung in der Bevölkerung.

Generell scheint das Immobilienvermögen der Schlüssel zu einer gleicheren Vermögensverteilung in Deutschland zu sein. Allerdings ist eine Umverteilung über das Steuersystem nur eine Alternative, um eine Schieflage zu korrigieren. Seit Jahrzehnten fördert der Staat auch den Erwerb von Grund und Boden mit einem weitgehend unbekannten Instrument: Seit 1952 wird Haushalten in den unteren Einkommensschichten die Wohnungsbauprämie gewährt. Diese ist in den letzten Jahren angesichts teurer Instrumente wie dem Baukindergeld oder der Eigenheimzulage immer weiter in den Hintergrund getreten. Praktisch 25 Jahre lang wurden Förder- und Einkommensobergrenzen bei der Wohnungsbauprämie nicht verändert. Entsprechend sank der Kreis der begünstigten Personen und die Attraktivität der Förderung kontinuierlich. Zuletzt wurden kaum mehr 250 Millionen Euro für die Förderung aufgewendet.

Aber auch die Wohnungsbauprämie setzt voraus, dass überhaupt Ersparnisse in hinreichender Höhe gebildet werden können. Für viele Haushalte in den unteren Einkommensschichten ist dies kaum in nennenswertem Umfang möglich – ein Grund ist auch die Wohnkostenbelastung, die große Teile des verfügbaren Einkommens absorbiert. Für diese Haushaltsgruppe gibt es im Ergebnis keinerlei Unterstützung hinsichtlich des Vermögensaufbaus.

Der vorliegende Wochenbericht greift die genannten Aspekte auf und behandelt die Frage, wie Immobilieneigentum künftig steuerlich behandelt werden sollte, welche Effekte die Wohnungsbauprämie entfaltet und welche Optionen für die Immobilienvermögensbildung bei Haushalten mit niedrigen Einkommen bestehen.

Der erste Bericht kommt zu dem Schluss, dass Immobilien in Deutschland im internationalen Vergleich relativ gering besteuert werden. Vor allem Wohlhabende profitieren von zahlreichen Steuerprivilegien – dies sollte im Sinne einer Besteuerung zugunsten niedriger Einkommensgruppen geändert werden. Vorteilhaft wäre eine Grundsteuer, deren Wertbezug gestärkt und deren Aufkommen längerfristig verdoppelt werden sollte. Bei den Ertragsteuern sollten alle Veräußerungsgewinne erfasst und Gestaltungen begrenzt werden, insbesondere durch die Nutzung von Immobilien-GmbHs. Bei der Erbschaftsteuer sollte die Begünstigung von Wohnungsunternehmen aufgelöst werden. Zudem sollten bei der Grunderwerbsteuer „Share Deals“ und ähnliche Gestaltungen noch deutlicher eingeschränkt werden. Auf der anderen Seite könnte der Ersterwerb von Wohneigentum begünstigt werden.

Der zweite Bericht zeigt, dass gerade Haushalte mit geringeren Einkommen selten Immobilienvermögen bilden, obwohl es seit rund 60 Jahren Sparprämien gibt, die an diese Gruppe gerichtet sind. Die Wohnungsbauprämie hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich an Bedeutung verloren, obwohl eine Evaluierung der Effekte zeigt, dass trotz der geringen Summen signifikante Effekte auf das Sparverhalten der geförderten Haushalte ausgehen. Diese sparen häufiger, länger und in höherem Umfang, was im Ergebnis dazu führt, dass sie vermehrt und in jüngeren Jahren Wohneigentum erwerben. Diese Erkenntnisse legen nahe, dieses Instrument der Ersparnisförderung zu stärken. Vorgeschlagen wird eine Zusammenlegung der Wohnungsbauprämie mit der Arbeitnehmersparzulage und eine Anhebung der Prämien, gestaffelt nach Einkommen.

Der dritte Beitrag konstatiert, dass die Schaffung preiswerten Wohnraums eines der drängendsten sozialen Probleme für die künftige Bundesregierung darstellt. Vorgestellt wird ein alternatives Modell der Immobilienförderung: die Sozialkaufprämie. Grundlage dieses Modells ist, existierende Förderprogramme zum Eigenkapitalaufbau und staatlich gefördertes Fremdkapital um eine solche Sozialkaufprämie zu erweitern. Um Mitnahmeeffekte wie bei der Eigenheimzulage und dem Baukindergeld zu reduzieren, sollte dieses Programm für eigenkapitalschwache Haushalte in spezifischen Entscheidungssituationen aufgelegt werden, um für diese Personengruppen den Übergang von Miete in Eigentum zu erleichtern.

Insgesamt zeigen die Berichte, dass der erhebliche Handlungsbedarf in der Wohnungsmarktpolitik trotz einiger Initiativen in den vergangenen Jahren fortbesteht. Die Berichte sind auch nur ein Ausschnitt der derzeitigen Debatte: Neben der Diskussion um die Vermögensbildung werden auch weiterhin große Teile der Bevölkerung in Mietwohnungen leben. Die Angebotsknappheit in den großen Städten und die Belastung vor allem gering verdienender Haushalte mit hohen Mietkosten sind die zweite große wohnungsmarktpolitische Herausforderung für die kommende Bundesregierung. Die dritte Herausforderung sind die erheblichen Sanierungsaufgaben, die mit der Energiewende einhergehen. Auch hier steht die Wohnungsmarktpolitik vor erheblichen Herausforderungen, sollen die Ziele der Dekarbonisierung erreicht werden.

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